In Farbe (2018)

26.10.18 CD Album / GMO
In Farbe (2018)
01.
New York, Rio, Gütersloh
Text & Musik: William Wahl

Türen auf, einsteigen, auf geht's Richtung Autobahn
Losfahren, abbremsen, gleich mal in den Stau gefahren
Stau weg, weiter geht's, rechte, linke, Mittelspur
Gaspedal durchdrücken, Kilometer auf die Uhr
Nachts, mittags, morgens fahren, dauernd im Berufsverkehr
Sind schon ziemlich weit gekommen, viermal um die Welt bisher
Sind fast überall gewesen, haben fast überall gesungen
Standen auf den höchsten Gipfeln, in den tiefsten Niederungen

Und es hat uns überall gefallen
In all den ehrwürdigen Hallen
Und all den abgerockten Sälen
Viel zu viel, um sie zu zählen

Wir kennen jedes kleinste Backstageklo
Zwischen Regensburg und Itzehoe
Zwischen überall und nirgendwo
New York, Rio, Gütersloh

Wir kennen jeden Kilometerstein
Zwischen Oderbruch und Niederrhein
Zwischen überall und nirgendwo
New York, Rio, Gütersloh


Ankommen, aussteigen, gleich im Backstage nachgeschaut
Riesenjubel in der Band, Catering ist aufgebaut
Kinderriegel, Milky Way, bestes Zeug als erstes weg
Wutschrei in der Garderobe, auf dem Hemd ein Kaffeefleck
Soundcheck, Abendessen, Showbeginn, Show vorbei
In die Kneipe auf ein Bier, scheiße, es ist schon halb zwei
Hoch aufs Zimmer, Tür auf, Einzelbett, so ein Mist
Einschlafen, aufwachen, keine Ahnung, wo man ist

Im Bad verfliegt der Rest vom Traum
Müdes ,,Hallo" im Frühstücksraum
Der Kaffee dünn, das Radio plärrt
Auf in den Bus, Richtung Konzert

Wir kennen jedes kleinste Backstageklo
Zwischen Regensburg und Itzehoe
Zwischen überall und nirgendwo
New York, Rio, Gütersloh

Wir kennen jeden Kilometerstein
Zwischen Oderbruch und Niederrhein
Zwischen überall und nirgendwo
New York, Rio, Gütersloh


Mohn in gelben Sommerwiesen
Rotweißblaue Rollmarkisen
Neon-Möbelhausreklamen
Lauter Fernwehpanoramen
Landschaft wie Kalenderbilder
Bundesländerwerbeschilder
Ein Regenbogen ganz weit oben
Über einer Waschanlage
Und die Welt zieht vorbei in Farbe

Wir kennen jeden Kilometerstein
Zwischen Oderbruch und Niederrhein
Zwischen überall und Nirgendwo
New York, Rio, Gütersloh

Wir kennen jedes kleinste Backstageklo
Zwischen Regensburg und Itzehoe
Zwischen überall und Nirgendwo
New York, Rio, Gütersloh

Wir kennen jedes morsche Bühnenbrett
zwischen Heidelberg und Norderstedt
Zwischen überall und Nirgendwo
New York, Rio, Gütersloh
02.
Zu spät
Text & Musik: William Wahl

Mein bester Freund hat zwanzig Bitcoins
Ich hab zuhaus noch zwanzig Mark
Ich wollte mir auch welche kaufen
doch ich hab zu lang gespart
Jetzt ist er reich und ich bin sauer
Weil ich immer so lang wart'
Er kauft sich Kaviar im Kaufhof
Ich bei Lidl Fleischsalat

Das Schicksal öffnet mir ein Fenster
Und das Problem ist, ich erkenn's zwar
Doch weil ich so zaudern tu
Ist's, bis ich da bin, wieder zu

Ich bin immer zu spät, zu spät, zu spät

Ich steh bei Esso an der Kasse
Und lass spontan 'nen Rentner vor
Doch leider merke ich erst, als er zahlt:
Das war ein Eigentor
Denn der Kassierer sagt dem Renter
Hinter dem ich jetzt ja steh
Herzlichen Glückwunsch, Sie sind einmillionster Kunde
Hier ist Ihr neuer BMW

Das Schicksal öffnet mir 'ne Türe
Deren Zug ich nicht gleich spüre
Und weil ich falsch entscheiden tu
Ist sie zu früh schon wieder zu

Ich bin immer zu spät, zu spät, zu spät

Ihr alle, die ihr so verwegen seid
Nutzt jede kleinste Gelegenheit
Aber auch ihr kämpft doch vergebens
Mit den wunden Punkten eures Lebens
Ja, jeder leidet unter irgendwas
und ich halt darunter, dass
ich zu lange warte oder brauch und stets den
richtigen Moment verpass'

Er ist immer zu spät, zu spät, zu spät
Ich bin immer zu spät, zu spät, zu spät
03.
Kranke Männer
Text & Musik: William Wahl

Mit Fieberschmerzen aufgewacht
Die Nacht war schlimm, hast kaum ein Auge zugemacht
Dir läuft die Nase, Rachen kratzt
Der Schädel schmerzt, du hast das Gefühl, er platzt
Kannst kaum noch stehen, stehst trotzdem auf
Mit letzter Kraft suchst du das Thermometer raus
Du spürst, es geht mit dir vorbei
Das Thermometer zeigt siebenunddreißig Komma drei

Kranke Männer leiden stumm in stiller Größe
Kranke Männer geben sich keine Blöße
Kranke Männer stehen nicht auf Gejammer
Kranke Männer sehnen sich nach Mama


Im Fieberwahn bist du allein
Magst nichts mehr essen, zwängst dir noch 'nen Zwieback rein
Der Zwieback krümelt dir ins Bett
Die Krümel pieksen, liegst wie auf 'nem Nagelbrett
Das Ende naht, es ist soweit
Schleppst dich ins Bad und ext ein Glas WickMedinait
Du spürst den Tod, er kommt zu dir
Das Thermometer steigt auf siebenunddreißig Komma vier

Kranke Männer leiden stumm in stiller Größe
Kranke Männer geben sich keine Blöße
Kranke Männer stehen nicht auf Gejammer
Kranke Männer sehnen sich nach Mama


Ein Anruf aus dem Krankenhaus
OP lief gut, der Blinddarm deiner Frau ist raus
Sie holt auch gleich die Kinder ab
Nur mit dem Kochen wird es heute etwas knapp
Sie kauft ja noch den Wandschrank bei IKEA
Und mit der gebrochenen Hand schafft sie's nicht eher

Kranke Frauen kennen keine Schmerzen
Kranke Frauen haben große Herzen
Kranke Frauen ertragen viel Gejammer
Kranke Frauen, die sind echt der Hammer

Kranke Frauen kennen keine Schmerzen
Kranke Frauen haben große Herzen
Kranke Frauen ertragen viel Gejammer
Kranke Frauen sind fast so toll wie Mama
04.
Ich komm nicht mehr mit
Text & Musik: William Wahl

Kaum erwach ich morgens und schlag meine Augen auf
Nimmt der Tag auch schon seinen unabwendbar selben Lauf
Mach das Handy an und nehm den Laptop auf den Schoß
Und dann geht wie jeden Tag der Wahnsinn wieder los

Snapchat und WhatsApp und dann jede Menge
von Hashtags für irgendwas, das ich nicht kenne
Und Mikroblogdienste, Mann, das ist so bitter
Kein Plan, was das ist, ich versteh nicht mal Twitter
Und Facebook! Jeden Monat 'ne neue
Funktion, die ich nicht kapier und darum scheue
Und ständig ein weiteres Tool in der Timeline
Kann die nicht mal länger im selben Design sein?

Was waren jetzt die Tabs, was die Fenster
Und was sind jetzt User und was Influencer?
Ich rall es nicht - tut mir leid, wenn ich tippe
Ich dacht ja bisher, Influenza wär Grippe
Und Newsfeeds und Widgets, die ich nicht mehr blick
Und die ganze global-digitale Entwicklung

Ich weiß nicht, bin ich zu alt?
Ich meine nur, anscheinend halt
ich nicht mehr Schritt
Ich komm nicht mehr mit


Es geht ja noch weiter: die ganzen Berufe
Mit englischem Namen sind die nächste Stufe
Des Frusts, den ich hab, wenn ich um mich seh'
Und all die Anglizismen kein bisschen versteh
Employment Consultant und Head of Compliance
Und Junior Assistant for Business Client
Accounting Trainee for Domestic Migration
Ich geb offen zu, ich verstehe nur Station

Also Bahnhof. Doch das ist nicht sexy
Und was dazu kommt, ist, dass ich 'nen Komplex krieg
Weil echt alle Jobs abgesehen
von dem hier aus dutzenden Silben bestehen
Vielleicht wär es besser, wär mein Beruf länger
Als er nun mal ist, denn ich bin ja nur Sänger

Ich weiß nicht, bin ich zu alt?
Ich meine nur, anscheinend halt
ich nicht mehr Schritt
Ich komm nicht mehr mit


Egal, wo wir sind, wir sind immer erreichbar
Ganz ehrlich: Ich denke mir manchmal, vielleicht war
Es früher tatsächlich irgendwie besser
Als nicht so 'ne Hetze und nicht so ein Stress war
Es bringt nichts, auf bessere Zeiten zu hoffen
Und jeder von uns ist davon betroffen
Vom Kind bis zum Rentner, vom Greis bis zum Youngster
Das Rad dreht sich schneller und wir sind die Hamster
Und jede Sekunde piept es und blinkt es
Und zappelt und wackelt und wuselt und winkt es

Ich weiß nicht, bin ich zu alt?
Ich meine nur, anscheinend halt
ich nicht mehr Schritt
Ich komm nicht mehr mit


Lasst uns all dem Stress entfliehen
Heute mal den Stecker ziehen
Komm, wir gehen in die Kneipe
Echte Menschen statt Geskype
Lasst uns einen hinter die Binde gießen
Den Stillstand und den Rausch genießen
Wir sind heute Abend der Sand im Getriebe
Wir nehmen uns 'ne Auszeit für Freundschaft und Liebe
Wann haben wir sowas zuletzt getan?
Oh Mann, das wär ein super Plan
Nur, dass keiner dafür zur Verfügung steht
Denk ich mir, als mein Handy geht

Du sagst, ihr geht echt noch was trinken, wie toll
Du, leider ist mein Terminplan sehr voll
Nee, sorry, ich glaub, ich bin raus
Denn geh ich heute Abend noch aus,
bin ich morgen nicht fit
Ich komm nicht mehr mit
05.
Bitte nicht ihr
Text: William Wahl, Musik: Julian Schramm/William Wahl

Die Scheidungsrate steigt schneller als der Milchpreis
Und ich würd sagen, schon der kleinste Knilch weiß
Dass Liebe irgendwann vergeht
Ganz egal, ob's im verflixten siebten Jahr ist
Beginnen tut es immer gleich: Mit 'nem Haarriss
Und es endet immer mit 'nem Graben, vor dem man steht
Und trotzdem dachte ich, es gäbe Ausnahmen
Es gäbe Paare, die es raushaben
Doch steht ihr aufgelöst vor mir

Bitte nicht ihr
Wie soll das klappen, wenn's bei euch nicht klappt?
Wie soll das passen, wenn's bei euch nicht passt?
Wie soll das gehen, wenn es euch passiert?
Und wenn es ihr nicht schafft, wie schaffen es dann wir?
Bitte nicht ihr


Ihr seid doch schon zusammen seit dem Urknall
Genau gesagt, seit unserm Abiturball
Sie mit dem Kleid, du mit der seltsamen Frisur
Ein erster Kuss auf dem zerschlissenen Sofa
Ein erstes Mal, dass ein bisschen doof war
Morgens um kurz vor fünf im Lehrerzimmerflur
Ihr tauchtet auf mit schiefem Grinsen
Jetzt geht das alles in die Binsen
Und ratlos steht ihr mit mir hier

Bitte nicht ihr
Wie soll das klappen, wenn's bei euch nicht klappt?
Wie soll das passen, wenn's bei euch nicht passt?
Wie soll das gehen, wenn es euch passiert?
Und wenn es ihr nicht schafft, wie schaffen es dann wir?
Bitte nicht ihr


Ihr wart der Leuchtturm in unseren Meeren
Und die Oase in all dem Scheißsand
Ihr gehört zusammen
Habt ihr das wirklich nicht erkannt?

Bitte nicht ihr
Wie soll das klappen, wenn's bei euch nicht klappt?
Wie soll das passen, wenn's bei euch nicht passt?
Wie soll das gehen, wenn es euch passiert?
Und wenn es ihr nicht schafft, wie schaffen es dann wir?
Bitte nicht ihr
06.
Mi casa su casa
Text: Arndt Schmöle/William Wahl, Musik: William Wahl

Es klingelt an der Tür, wer kann das sein um diese Zeit?
Spät am Abend, viertel nach zehn
Ich mache auf - das gibt's ja nicht, wie schön, was machst Du hier?
Wir haben uns ja seit Jahren nicht mehr gesehen
Deine Freundin gab dir einfach so den Laufpass, sagst du mir
Sie schmiss dich raus und darum bist du jetzt hier
Du weißt nicht weiter - weißt du was? Jetzt kommst du erstmal rein
Leg dich ab, ich hole uns ein Bier

In der Not sind Freunde füreinander da
Also mach's dir bequem
Und dann werden wir schon sehen
Denn eines ist doch klar
Kommt's hart auf hart,
mach ich für dich gern meine Türen auf
Mi casa su casa - fühl dich wie zuhaus


Du legst die Füße hoch, die Schuhe lässt du dabei an
Die Flecken, die du machst, kümmern dich nicht
Du fragst mich, ob ich rauche, steckst dir selber eine an
Und aschst mir auf den Sofabeistelltisch
Du redest, ich hör zu und schließlich, weit nach Mitternacht
Sagst du mir, es wäre wirklich nett
Schlief ich wegen deiner Rückenschmerzen auf der Couch
Und du die nächsten Tage in meinem Bett

In der Not sind Freunde füreinander da
Also mach's dir bequem
Und dann werden wir schon sehen
Denn eines ist doch klar
Kommt's hart auf hart,
mach ich für dich gern meine Türen auf
Mi casa su casa - fühl dich wie zuhaus


'Ne Woche später komm ich abends von der Arbeit nach Haus
Doch du lässt mich gar nicht erst zur Tür herein
Du sagst, du schmeißt hier grad 'ne Party für deine Fußballjungs
Und da passte ich doch irgendwie nicht rein

Nebenbei, dass meine Nichten mich besuchen kommen wollen
Hättest du eigentlich nicht so gern
Denn du dürftest dich, du hättest es wohl vergessen, zu erwähnen
Kindergärten nur auf fünfzig Metern nähern

Tragisch war's, wie die Geschichte dann ihr Ende nahm
So ganz bin ich ja noch nicht drüber weg
Du fielst aus meiner Penthouse-Wohnung, und was von dir blieb
War auf dem Bürgersteig ein großer Fleck
Beim Rauchen aus dem Fenster stürzen, was für'n Riesenpech
Auf den Schreck gönn ich mir erstmal ein Bier
Es ist mir wichtig, dass du weißt: Wirklich bei allem, was du tatst
Stand ich immer hinter dir

In der Not sind Freunde füreinander da
Doch genug ist genug
Also Tschüss, guten Flug!
Denn eines ist doch klar
Kommt's hart auf hart,
mach ich für dich auch meine Fenster auf
Mi casa mi casa - ich fühl mich wieder zuhaus
07.
Personal Trainer
Text & Musik: William Wahl

Er sprach mich an am Laufband
Weil ich, anstatt zu laufen, auf dem Laufband draufstand
Der Mann war mir erst nicht sympathisch
Auf seinem Arm stand etwas auf asiatisch
Er bot mir dann gleich eine Probestunde an
Und seitdem kommt er jeden Tag zu mir nach Haus
Und ruft: rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter, rauf

Ich hab 'nen Personal Trainer
Und mein Leben ist, seitdem er
In meinem Leben ist, viel schöner
Ich hab 'nen Personal Trainer
Mein Leben war bisher bequemer
Doch das ist für mich kein Problem, er
Ist ja genau deswegen mein Personal Trainer


Er war nicht nur vom Look her kantig
Nein, auch sein Ton war leider ziemlich grantig, fand ich
Doch auch wenn die Methode schlicht war
Waren die Erfolge, wenn man ihn bei Licht sah, sichtbar
Ich bin ein Mann, der geht es direkt richtig an
Drum steh ich jeden Tag vorm Aufzug in unserm Treppenhaus
Und drücke rauf, runter, rauf, runter, rauf, runter, rauf

Ich hab 'nen Personal Trainer
Und mein Leben ist, seitdem er
In meinem Leben ist, viel schöner
Ich hab 'nen Personal Trainer
Mein Leben war bisher bequemer
Doch das ist für mich kein Problem, er
Ist ja genau deswegen mein Personal Trainer


Mit ihm besiegte ich die Geister
Denn auf meinem Weg war er als mein Meister meist da
Er war ein Denker und ein Krieger
Ein weiser Kranich und ein starker Tiger
Sein Geist ist frei, er ist ein wahrer Samurai
Auch du kannst den Weg mit ihm gehen,
sein Name eilt ihm weit voraus
Der Mann heißt Klaus-Gunther, Klaus-Gunther, Klaus-Gunther, Klaus

Er ist ein Personal Trainer
Und er macht dein Leben schöner
Vielleicht nicht gerade angenehmer
Er ist ein Personal Trainer
Ja, ohne ihn ist es bequemer
Doch wenn das für dich kein Problem wär
Wär er genau deswegen dein Personal Trainer
08.
Mein Auto
Text & Musik: William Wahl

Mein Auto hat sehr viel PS
Und mehr Zylinder als ein Zirkusdirektorenfachgeschäft
Ich lieb es mehr, als ich die Mutter lieb
Wie schön, dass es dich gibt

Mein Auto ist mein Glück allein
Die Innenraumverkleidung ist aus Ebenholz und Elfenbein
Ich lieb es mehr, als ich die Gattin lieb
Wie schön, dass es dich gibt

Ja, wenn ich damit rase,
wird alles gut und alsdann
Löst mein Frust sich hinter mir in Gase,
und ich fühl mich als Mann

Denn mein Penis ist, mein Auto ist zwei Tonnen schwer
Mit ihm bin ich ganz zweifellos der Allertollste beim Ver-, im Verkehr
Das Glück, das gleichsam auf der Straße liegt
Wie schön, dass es dich gibt

Ja, wenn ich damit drängel,
wird alles gut und alsdann
Vergess ich der Kinderschar Gequengel
und ich fühl mich als Mann

Dein Auto ist das, was besteht
Wenn alles andere in deinem Leben auch in Brüche geht
Der Hund, er stirbt, es war ein altes Tier
Die Frau läuft weg, nun denn, darauf ein Bier
Die Kinder nimmt sie mit, du gönnst sie ihr
Das Auto bleibet dir
Dein Auto bleibet dir
09.
Schlager
Text & Musik: Julian Schramm/William Wahl

Hab lange Haare und die Arme tätowiert
Und jeden Muskel meines Körpers austrainiert
Hobbymäßig bin ich Sänger in 'ner Hard-Rock-Band
Und bei den Hells Angels der Vize-Präsident
Ich bin ein harter Kerl, 'ne voll brutale Sau
War mehrfach vor Gericht und einmal schon im Bau

Doch wenn man mir mal tief in meine Seele schaut
Steckt unter meiner völlig zugepiercten Haut
Ein anderer Mann, von dem wohl niemand etwas ahnt
Ich hab mich bisher nur sehr sorgfältig getarnt
Denn bin ich abends ganz allein zuhaus
Dann dreh ich meine Musikanlage auf

Und höre Schlager, ja, ich liebe Schlager
In meiner Wohnung lager ich an die tausend Schlager
Ich schwör Stein und Bein, ich
find das selber peinlich
Ich hör sie auch nur heimlich
Und manchmal da wein ich sogar, aber
Ich steh halt auf Schlager


Ich zerlege Schuldnern mit Elan ihr Eigenheim
Am Abend, da entspann ich mich mit Matthias Reim
Am Tag zertrümmer ich Verrätern ihren kleinen Zeh
Zuhause komm ich runter mit Andreas Gabalier
Denn bin ich abends ganz allein zuhaus
Dann dreh ich meine Musikanlage auf

Und höre Schlager, ja, ich liebe Schlager
In meiner Wohnung lager ich an die tausend Schlager
Ich schwör Stein und Bein, ich
find das selber peinlich
Ich hör sie auch nur heimlich
Und manchmal da wein ich sogar, aber
Ich steh halt auf Schlager


Dass das ein Geheimnis ist, muss ich wohl nicht betonen
Und dass es unter uns zu bleiben hat, ahnst du sicher schon
Denn wenn du einen Ton sagst, komm ich bei dir vorbei
Dann leg ich Patrick Lindner auf und schlage dich zu Brei

Denn ich bin ein Schläger, ein gemeiner Schläger
Ich schlage dich zum Kläger mit meinem Baseballschläger
Ich hör die Amigos,
verpass dir einen Knieschuss
Kriegst von mir einen Knebel
mit Gruß von Carmen Nebel
Glaub mir, dass ich nicht laber
Ich steh halt nur auf Schlager
10.
Reggaeton im Altersheim
Text & Musik: William Wahl

Frau Meyerhoff von der Vier
Trägt Chanel und das blau-weiße Halstuch von Prada
Herr Krause war beim Barbier
Und er freut sich seit Tagen schon auf den Lambada
Auch Frau Blum hat sich heute wieder schön gemacht
Und sich am Bob die Spitzen nachgeschnitten
Das sieht auch Herr Kowalski von der Acht
Und er kontrolliert ein letztes Mal den Sitz seiner Dritten
Da betritt der DJ den Dancefloor
Und niemand hier täuscht mehr Demenz vor
Also weg mit dem Rollator
Denn die Party wird wieder Hardcore

Ja, wenn der Beat in den Boxen bebt
Jeder sein Hörgerät herunterdreht
Ja, wenn der Jubel über'n Dancefloor schallt
Weil die Bassline wieder so fett knallt
Ja, dann gibt's heute statt Bingo
Tanzabend mit DJ Ingo
Dann tönt es laut: Party, Party
Durch die ganze Geriatrie
Ja, dann zuckt es in jedem Raucherbein
Dann ist Reggaeton im Altersheim


Herr Krause tanzt mit Frau Schmidt
Und sie wirbeln zum Beat der Musik durch die Lüfte
Sie sagt: Na, Sie sind ja fit
Und er meint: Tja, Frau Schmidt
Das macht die neue Hüfte
Herr Kowalski schreit Frau Meyerhoff ins Ohr:
Ich verrat' Ihnen ein Geheimnis
Eierlikör knallt so richtig geil
Wenn man Ibuprofen mit reinmischt
Die Pflegekraft sagt Herrn Krause:
Machen Sie bitte jetzt 'ne Pause
Und schonen Sie Ihr Bein mal
Doch er ruft: Yolo, man lebt nur einmal

Ja, wenn der Beat in den Boxen bebt
Jeder sein Hörgerät herunterdreht
Ja, wenn der Jubel über'n Dancefloor schallt
Weil die Bassline wieder so fett knallt
Ja, dann gibt's heute statt Bingo
Tanzabend mit DJ Ingo
Dann tönt es laut: Party, Party
Durch die ganze Geriatrie
Ja, dann zuckt es in jedem Raucherbein
Dann ist Reggaeton im Altersheim


Shake your booty in the beigefarbene Hose
Heute hat hier keiner Osteoporose
Und kein Rheuma und kein Diabetes
Weil das heute Nacht so 'ne krass fette Fete ist
Scheiß auf den Schlaganfall, scheiß auf die Arthritis
Weil das hier so ein endgeiler Beat ist
Und scheiß darauf, dass die Kinder nur noch selten kommen
Denn heute gibt es Reggaeton

Ja, wenn der Beat in den Boxen bebt
Jeder sein Hörgerät herunterdreht
Ja, wenn der Jubel über'n Dancefloor schallt
Weil die Bassline wieder so fett knallt
Ja, dann gibt's heute statt Bingo
Tanzabend mit DJ Ingo
Dann tönt es laut: Party, Party
Durch die ganze Geriatrie
Ja, dann zuckt es in jedem Raucherbein
Dann ist Reggaeton im Altersheim
Und nächstes Mal spielen sie auf dem Friedhof
Beim Begräbnis ,,Despacito"
11.
Das Leben ist kein Wandtattoo
Text & Musik: William Wahl

,,Home is where your heart is" steht über Sonjas Spüle
Und ,,Lebe deinen Traum" steht überm Klo
Auf der Wand im Schlafzimmer steht ,,Love forever"
Und der Name ihres Freunds auf ihrem Po
Doch eines Tages hängt in ihrer Küche
Ein Post-It neben einem der vielen Sprüche
Und darauf steht: Es ist aus, mach's gut, mein Liebes
Ich zieh ins Ibis

Schalalalalalalalala und schubidu
Das Lalalala-Leben ist kein Wandtattoo
Bidubidubidubidu und schalala
Das ist zwar sehr traurig, aber dafür wahr


Kai hat sich im Badezimmer überm großen Spiegel
Den coolen Spruch ,,Heul leise" aufgehängt
Und über seinem Wasserbett steht ,,Spielwiese" geschrieben
Das hat ihm seine Freundin mal geschenkt
Doch eines Tages ist sie weg, er fragt sich
Was los ist, da erreicht ihn eine Nachricht
Drin steht: Sie ist bei mir, auch ich lieb Kathi
Bis bald, dein Vati

Schalalalalalalalala und schubidu
Das Lalalala-Leben ist kein Wandtattoo
Bidubidubidubidu und schalala
Das ist zwar sehr traurig, aber dafür wahr


Wir würden so gerne unser Glück einfrieren
Wie 'ne Eissplittertorte von Bofrost
Doch dann sitzen wir alleine am Küchentisch
Und schnibbeln einsam Rohkost

Wir würden so gern unser Glück beschwören
Wie ein Sinnspruch auf irgendeinem Poster
Aber dann geht der Mann, den du so sehr liebst
Für den Rest seines Lebens ins Kloster
Oder stirbt an 'nem Kurzschluss im Toaster
Und dann stehst du ganz schön erbost da

Schalalalalalalalala und schubidu
Das Lalalala-Leben ist kein Wandtattoo
Bidubidubidubidu und schalala
Manchmal ist es traurig und manchmal wunderbar
Und oft auch wunderbar
12.
Roboterkätzchen
Text: William Wahl, Musik: Julian Schramm/William Wahl

Ich bin einer der größten Fans
Von künstlicher Intelligenz
Ich hab mir neulich was bestellt
Es ist das Tollste von der Welt
Ich war schon völlig aufgedreht
Und dann kam endlich das Paket
Beim Öffnen war die Freude groß
Ich nahm den Inhalt auf den Schoß

Roboterkätzchen, Roboterkätzchen
Es ist weich und flauschig, mein Roboterkätzchen
Roboterkätzchen, Roboterkätzchen
Es ist so viel besser als ein echtes Kätzchen


Ein Vorteil meines Kätzchens ist
Dass es nur Batterien frisst
So ist das Füttern schlicht passé
Das Tier läuft via USB
Und eins macht mich besonders froh
Das Kätzchen braucht kein Katzenklo
Ja, was am echten Tier frustriert
Ist schon ab Werk eliminiert

Roboterkätzchen, Roboterkätzchen
Es ist weich und flauschig, mein Roboterkätzchen
Roboterkätzchen, Roboterkätzchen
Es ist so viel besser als ein echtes Kätzchen


Das Kätzchen hat mich inspiriert
Ich hab mich selbst modifiziert
Hab mir 'nen Chip implementiert
Der Emotionen kontrolliert
Als neues Herz ein Implantat
Gedruckt aus Polycarbonat
Ein alter Menschheitstraum wird wahr
Ich bin als Mensch gar nicht mehr da

Roboterkätzchen, Roboterkätzchen
Es streichelt mich mit seinen Robotertätzchen
Roboterkätzchen, Roboterkätzchen
Es ist so viel besser als ein echtes Kätzchen
13.
Schlaflied
Text & Musik: William Wahl

Schlaf mein Kindlein, schlaf nun ein
Schau, der Mond sieht zu dir herein
Will dich sanft bescheinen
Mach nun deine Äuglein zu
Schlafe ein in seliger Ruh'
Brauchst nicht mehr zu weinen

Schlaf mein Kindlein, schlaf nun ein
Heute sind wir beide allein
Drum ruf nicht nach Mama
Sie ist heute Nacht nicht da
Sondern auf 'nem Seminar
Bei der Handwerkskammer

Ach, na super, das ist toll
Deine Windel ist ganz voll
Und weil du ausgelaufen bist
Bin auch ich jetzt angepisst

Schlaf mein Kindlein, schlaf nun ein
Brauchst nicht gar so laut zu schreien
Darfst die Stimme senken
Nachbarn klopfen an die Wand
Gleich rufen sie das Jugendamt
Kann's ihnen nicht verdenken

Papa nimmt sich noch 'nen Wein
Komm, ich schenk dir auch was ein
Eigentlich ist der nichts für dich
Sei's drum, petzen kannst du's nicht

Schlaf mein Kindlein, sei doch brav
Komm, ich trag dich in den Schlaf
Schmerzend knackt der Rücken
Doch als ich grad verzweifeln tu
Gehen deine Äuglein zu
Ich leg dich hin, ganz vorsichtig
Und daneben leg ich mich
Kleiner Mann, ich liebe dich
14.
Lass es schneien
Text & Musik: William Wahl

Himmel tief und Lider schwer
Müde Beine, müdes Herz
Und du magst nicht mehr, du magst nicht
Ewigkeiten unterwegs
So viel, das du nicht mehr verstehst
Und du fragst nicht mehr, du fragst nicht

Die Tränen, die du noch vergießt
Die Wunde, die nicht richtig schließt
Vor dir die Wolken, doch lass sie nicht regnen

Lass es schneien, lass es schneien, lass es schneien

Keine Spur, die zu dir führt
Kein Weg, den du nicht mehr verlierst
Und du willst nicht mehr, du willst nicht
Alle Helligkeit der Nacht
Hat dich nur müder gemacht
Und es stillt nichts mehr, es stillt nichts

Die Schmerzen, die du noch verspürst
Die Liebe, die sich nicht verliert
Vor dir die Wolken, doch lass sie nicht regnen

Lass es schneien, lass es schneien, lass es schneien

Die Tränen, die du noch vergießt
Die Wunde, die nicht richtig schließt

Lass es schneien, lass es schneien, lass es schneien
Warum eigentlich ,,In Farbe"? Tja, ein Zuviel an Grau musstet ihr von uns eigentlich noch nie befürchten. Wisst ihr ja! Aber wir haben schwer den Eindruck, dass noch kein Album so bunt und abwechslungsreich geworden ist wie dieses hier! Vom Ländler über Reggaeton bis Hard Rock ist nun wirklich alles dabei, was unser Globus an Musik so hergibt. Wundertüte sozusagen.

Und so sehen wir das Leben eigentlich auch. Ist nicht immer alles gleichermaßen toll, was man aus besagter Tüte zieht, aber wenn man es mit Humor sieht, ist es schon gleich ein gutes Stück besser. Ja, wenn wir wollen, können wir fast jeder blöden, traurigen oder auch nur banalen Situation einen anderen Blickwinkel abgewinnen und sie damit schöner machen. Und was uns am einen oder anderen Tag normal, alltäglich und grau erscheinen mag - lasst es uns zusammen anders sehen: In Farbe!
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